Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
der diesjährigen Haushaltsdebatte kann man sich von zwei Seiten nähern: entweder von den einzelnen Positionen her, aus denen sich die Änderungslisten der Fraktionen ergeben, oder über die Tatsache, dass sich mit dem Wechsel der Haushaltsmehrheiten automatisch auch eine Verschiebung der inhaltlichen Schwerpunktsetzung ergibt. Zu den Details der Grünen-Änderungslisten werden meine Fraktionskolleginnen und –kollegen im Verlauf des Abends noch einiges sagen. Daher werde ich mich auf den Umstand konzentrieren, dass nun auch in Oldenburg die Große Koalition Einzug hält.
Als am 7. Dezember die Presse vermeldete, dass die SPD-Fraktion zukünftig mit der CDU den städtischen Haushalt beschließen werde, wurde von, ich zitiere, einer Überraschung in der Oldenburger Politik gesprochen. Von einer Überraschung wohl deshalb, da sich in den letzten sechs Jahren die Sozialdemokratie stets mit meiner Fraktion, den Bündnis-Grünen, auf einen gemeinsamen Haushalt verständigt hatte. Und dieses auch für den Haushalt 2017, obwohl es uns nach der Kommunalwahl im letzten Jahr nicht gelungen war, abermals eine gemeinsame Zusammenarbeit zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund mag es für den ein oder anderen hier im Rat, vor allem aber für viele Bürgerinnen und Bürger Oldenburgs eine Überraschung sein, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nun das Bündnis mit der CDU suchen. Für den geübten Beobachter und auch für meine Fraktion kommt dieser Richtungswechsel jedoch wenig überraschend.
Denn wie die NWZ in den letzten zwei Jahren bereits häufiger anmerkte, suchten Sie bei größeren Bauprojekten, bspw. der Ansiedlung des Gartencenters Ostmann, lieber den Schulterschluss mit den Christdemokraten, als mit uns über die Widersprüche zu sprechen, die manches Projekt zu den von der Verwaltung entworfenen und vom Rat häufig einstimmig verabschiedeten Konzepten auftat. Sei es beim Stadtentwicklungsplan 2025, dem Strategieplan Mobilität und Verkehr oder der Neufassung des Einzelhandelsentwicklungskonzeptes.
Aber wir erinnern uns: Als diese Konzepte entwickelt und verabschiedet wurden, hieß der Oberbürgermeister noch Prof. Dr. Schwandner. Eine Zeit, in der es insbesondere für Sie von der SPD mit Blick auf die nächste Oberbürgermeisterwahl wichtig war, sich in Position zu bringen. Auch eine Zeit, in der nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima das gesellschaftliche Augenmerk auf der Umweltschutzpolitik der Grünen lag. Daher war es sicherlich auch naheliegend, dass unsere beiden Parteien 2011 eine Zusammenarbeit vereinbarten und im Rahmen dieses gemeinsamen Weges konzeptionell vieles entwickelt wurde, in dem sich die Wählerinnen und Wähler der Grünen mit Fug und Recht programmatisch wiederfinden können – aber auch die Wählerinnen und Wähler der SPD, denn dass unsere Wählerschaft nicht unerhebliche Schnittmengen hat, ist uns bekannt.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,
Verlässlichkeit ist ein hohes Gut. Diese gab es auch stets in unseren gemeinsamen Haushaltsberatungen. Wir konnten uns, erlauben Sie mir bitten diesen süffisanten Hinweis, darauf verlassen, dass wir in Ihren Listen, liebe SPD, Forderungen Ihrer sechs SPD-Ortvereine finden würden, an denen aus Ihrer Sicht kein Weg vorbei führen durfte – auch wenn manche Forderung längst im Verwaltungsentwurf Niederschlag gefunden hatte. Wie Sie wissen, ist es uns Grünen der Blick für die gesamte Stadt wichtig, so dass uns ihre Herangehensweise etwas fremd ist. Aber wir haben für Ihre Strukturen und die sich daraus ergebenen Vorgehensweisen Verständnis entwickelt. Vor diesem Hintergrund mag es aus Ihrer Sicht eine richtige Forderung sein, am Pophankenweg einen breiteren Rad und Fußweg zu fordern. Mit Blick auf die gesamte Stadt wären diese dafür nötigen Mehrausgaben aber für Abschnitte besser eingesetzt, an denen es ohnehin schon ein großes Radfahraufkommen gibt, sich die Infrastruktur aber diesem Aufkommen nicht angepasst hat.
Um jedoch den Nachholbedarf in unserer Radinfrastruktur bewältigen zu können, bedarf es jener Kräfte, die diese Maßnahmen auch planen. Deshalb unterstützen wir in unserer Änderungsliste auch das Verkehrsamt mit seiner Forderung nach einer weiteren Planerstelle, wie sie uns Mitte des Jahres im Verkehrsausschuss vorgestellt wurde. Leider überstand dieser Wunsch nicht die verwaltungsinterne Beratung und lässt sich auch nicht im Entwurf von SPD und CDU wiederfinden. Ebenso ist es für uns überraschend, dass Sie die Planungsgelder für eine Radfahrer- und Fußgängerbrücke an der Doktorsklappe nicht unterstützen, die wir in den letzten Jahren immer wieder als gemeinsame Forderung aufgestellt hatten. Eine sinnvolle Maßnahme, verlängert sie doch die Radroute Süd in Richtung Bahnhof und würde dabei helfen, die Cloppenburger Straße zu entlasten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den letzten beiden Wochen durften wir häufiger lesen, dass der Wechsel der SPD hin zur CDU damit zu tun habe, dass in der Vergangenheit so vieles mit uns Grünen hätte ausgeklammert werden müssen. Unsere Erinnerungen geben das nicht her. Auch ein Abgleich der gemeinsamen Änderungslisten mit unseren fraktionsbezogenen stützt ihre These nicht. Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie sich an den Umstand erinnern, dass wir stets mit Listen aufeinander trafen, die stark geprägt waren von sozial- und kulturpolitischen Forderungen. Hinzu kamen besagte Forderungen Ihrer Ortsvereine und Forderungen meiner Fraktion im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes sowie einer Mobilitätspolitik zur Stärkung des Radverkehrs. Da Sie oftmals gar nichts Inhaltliches gegen diese Forderungen einzuwenden hatten, war es lediglich eine Frage, wie weit wir Grünen Ihren Forderungen entgegen kommen. Das taten wir auch unter Verzicht auf manche Maßnahme, die wir für diese Stadt wichtig gefunden hätten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
eine weitere nachzulesende Behauptung, warum der Wechsel nun erfolgen müsste, ist folgende: die Schnittmengen mit der CDU wären viel größer. Da muss man sich ja nun fragen, ob die CDU sozialdemokratischer oder ob die SPD konservativer geworden ist.
Dank unserer Sondierungsgespräche, die wir auch in diesem Jahr mit der SPD, der CDU, der Gruppe Linke-Piraten sowie der FDP geführt haben, haben wir einen Überblick darüber, was die originären Forderungen sowohl von SPD als auch CDU waren. Da die CDU auch in diesem Jahr die Mittelstreichung für die Arbeitslosenselbsthilfe forderte, können wir den erst genannten Gedanken schnell verwerfen.
Es mag vielmehr daran liegen, dass es in der Tat mit der CDU leichter ist einen Kompromiss zu finden, was sich allein aus dem Umstand ergibt –der Kollege Bischoff von der SPD hatte dieses in seinen letztjährigen Haushaltsreden sehr oft vorgetragen – dass die CDU-Änderungswünsche nicht gerade zahlreich sind. Nicht ohne Grund wird am 7. Dezember der SPD-Ratsherr Meerbothe stolz bei Facebook geschrieben haben, ich zitiere: „Außerdem hat die CDU alle unsere Änderungen übernommen. Der Haushalt ist also von Anfang bis Ende rein sozialdemokratisch.“
Da wird die CDU nun protestieren. Daher möchte ich dem zitierten Kollegen beispringen: Ähnliche Beobachtungen kennen wir Grünen nur zu gut, haben wir doch im Jahr 2010 einen gemeinsamen Änderungsentwurf mit den Christdemokraten in Eile aufstellen müssen, nachdem Gespräche mit der SPD gescheitert waren. Wir trafen damals nicht auf viele Forderungen der CDU, Sie werden sich erinnern.
Aber eines war der rechten Seite des Hauses sehr wichtig: 100.000 Euro für das Filmfest.
Ab dem nächsten Jahr beschlossen wir dann sechs Jahre in Folge den Haushalt zusammen mit der SPD. Und wir waren uns dort lange einig: 50.000€ aus dem städtischen Haushalt für das Filmfest wie vor dem besagten Haushalt 2011 sind ausreichend. Diese gemeinsame Position kam ab dem Zeitpunkt ins Schwanken, als Sie, Herr Krogmann, als Oberbürgermeister den Haushaltsentwurf aufstellten. Wie Gerd Schwandner stellten Sie Jahr für Jahr einen weitaus höheren Ansatz ein, ein uns vertrauten Spielchen, nur dass es von Natur aus einer SPD-Fraktion weitaus schwerer fallen würde, den Ansatz ihres eigenen Oberbürgermeisters zu korrigieren. Und wie wir sehen, haben Sie in diesem Jahr mit Ihrem Vorgehen Erfolg – das Filmfest wird dank SPD und CDU zukünftig 90.000€ erhalten. Dieses positive Signal wird Herr Neumann gewiss freudig vernommen haben, ermöglicht es ihm nun, wie wir der Presse entnehmen konnten, ein Kaufinteresse für die ehemalige Moormann-Halle zu verkünden. Ich glaube, dass Sie das mit der Erhöhung weniger im Sinn hatten. Aber die Realität schreibt oftmals die beste Satire.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,
das Beispiel um den Zuschuss für das Filmfest zeigt meines Erachtens eines deutlich: Die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion befinden sich in einem Zwiespalt zwischen ihren eigenen programmatischen Vorstellungen und dem Pflichtgefühl, den Haushaltsentwurf Ihrer Verwaltungsspitze zur Umsetzung zu bringen. Wir Grünen können dieses nachvollziehen, würden uns jedoch wünschen, dass Sie häufiger den Mut aufbringen, Ihre eigene Sichtweise deutlich zu formulieren – so wie Sie es beispielsweise bei der Grundschule Dietrichsfeld getan haben. Eine Position, die wir mit Ihnen teilen.
Wir sind der Meinung, dass wir auch eine gemeinsame Position bei der Förderung von Lastenrädern gefunden hätten, ein grüner Vorschlag, den auch die Studie der IHK und der Stadt Oldenburg ausdrücklich unterstützt. Ebenso hätten wir einen Weg bei der Unterstützung von Freifunk gefunden, damit mehr Leute in den Genuss von freizugänglichem Internet kommen. Nicht zuletzt beim Schulmaterialfond, den wir einst gemeinsam hier eingeführt haben. Aber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hätten wir uns nach unserem Sondierungsgespräch eben noch zu einem weiteren Gespräch treffen müssen. Zu dieser Einladung ihrerseits kam es jedoch nicht.
Wenn man jedoch ein konstruktives erstes Gespräch mit der Aussage beendet, dass die SPD-Fraktion ihre Position in Sachen Verbindungsstraße nicht verlassen wird, dann kann man sich schon die Frage stellen, wer hier nicht bereit war, sich zu bewegen und ob es ein ernsthaftes Interesse gab, überhaupt mit uns abermals die Haushaltsmehrheit zu bilden. Wie wir eben auch bezweifeln, dass es im letzten Jahr ein ernsthaftes Interesse gab, mit uns abermals eine Zusammenarbeit zu vereinbaren. Denn auch da war es bei der Kompromissfindung nicht sonderlich förderlich, eine extra dafür eingerichtete Arbeitsgruppensitzung damit zu beginnen, dass mit Nachdruck betont wird, die SPD werde ihre Positionen auf keinen Fall verlassen.
Im Übrigen sprachen wir mit der CDU darüber, ob man die Planungsmittel nicht um ein Jahr schieben könnte, bis geklärt sei, ob nicht doch eine andere Trassierung als von der Verwaltung vorgeschlagen gewählt werden könne, eine, die einen geringen Eingriff in den Naturraum erfordert. Man hätte beispielsweise Zeit gewonnen, um mit den Eigentümern der Gewerbeflächen zu sprechen, die aktuell die Umsetzung der Varianten 3a, b und c nicht ermöglichen. Dieses betone ich mit Verweis darauf, wer hier unbeweglich war oder ist.
Hierzu gab es bei Ihnen aber nicht den Willen und dieses wohl aus strategischen Überlegungen. Wenn Ihnen ein starker Umweltschutz wichtig gewesen wäre, hätten Sie abermals den Schulterschluss mit uns gesucht. Aber dafür gibt es offensichtlich bei Ihnen nicht mehr das Interesse. Daher nutzen Sie nun folgerichtig die Chance, die Ihnen die Bildung der Großen Koalition in Hannover bietet. Gewiss wäre es einem Teil Ihrer Fraktion nicht missfallen, wenn es diese Mehrheit bereits beim Haushalt 2015 gegeben hätte, spätestens aber nach der Kommunalwahl 2016. Aber da regierte noch eine Koalition aus SPD und Grünen in Hannover und für den Landtagswahlkampf gab es die deutliche Ansage in der SPD, dass die Großstädte, in denen bisher SPD und Grüne die Mehrheit bildeten, bitte keine falschen Signale senden mögen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich muss nicht übermäßig betonen, dass aufgrund dieser neuen Konstellation in Oldenburg unser Eintreten als Bündnis-Grüne, unser Eintreten für einen wahrhaftigen Umwelt- und Naturschutz und gegen eine Baupolitik, die stetig unsere wertvollen Naturräume im wahrsten Sinne des Wortes betoniert, unerlässlicher denn je sein wird.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.