Gemeinsam gegen Atomwaffen

DownloadGemeinsam gegen Atomwaffen: Die Stadt Oldenburg ist im Jahr 1987 dem „Programm zur Förderung der Solidarität der Städte mit dem Ziel der vollständigen Abschaffung von Atomwaffen“ beigetreten – mittlerweile agiert das internationale Städtenetzwerk unter dem Namen „Mayors for Peace“ (Bürgermeister für den Frieden). Das Ziel der weltweiten Initiative ist indes gleich geblieben: die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Gemeinsam engagieren sich Städte in aller Herren Länder für eine verbindliche Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags und die Fortsetzung von Verhandlungen zur atomaren Abrüstung sowie deren Kontrolle – und fordern damit eine Zukunft ohne Nuklearwaffen bis zum Jahr 2020. Sie werden dabei von Friedensgruppen auf der ganzen Welt unterstützt.

Über 6.700 Mitglieder weltweit
Mittlerweile sind der Organisation knapp 500 deutsche Städte beigetreten, weltweit sind es sogar mehr als 6.700. Japan, Iran und Italien haben die meisten Mitgliedsstädte, auf Platz vier folgt Deutschland. „Mayors for Peace“ vertritt damit gegenüber den Vereinten Nationen und den Regierungen der Welt mehr als eine Milliarde Menschen in über 160 Ländern.

Im letzten Jahr hat die Generalversammlung der UNO beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur Abrüstung von Atomwaffen einzurichten, um sich mit effektiven rechtlichen Maßnahmen zu befassen, die für das Erreichen und Erhalten einer nuklearwaffenfreien Welt notwendig sind. Die zweite Sitzung dieser Arbeitsgruppe hat im Mai in Genf getagt. Vor dieser Sitzung hat das Städtenetzwerk „Mayors for Peace“ einen Offenen Brief an all UN-Mitgliedstaaten herausgegeben, der zur aktiven Beteiligung an der Arbeitsgruppe aufruft:

Offener Brief von Mayors for Peace

Wir, die Bürgermeister für Frieden, geben heute unserer aufrichtigen Hoffnung Ausdruck, dass alle
UN-Mitgliedstaaten in der UN-Generalversammlung an der „Offenen Arbeitsgruppe für nukleare Abrüstung“ teilnehmen werden und sich in konstruktiven Beratungen engagieren. Unabhängig davon, ob sie Kernwaffenstaaten sind oder nicht, teilen alle Staaten eine gemeinsame Verpflichtung, die nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen zu fördern. Die Staatengemeinschaft muss den Wunsch aller Menschen auf dieser Welt respektieren, die Beseitigung aller Kernwaffen zu erreichen.
Das Ziel der nuklearen Abrüstung wurde von der Generalversammlung erstmals vor 70 Jahren formuliert. Doch noch immer leben wir in einer Welt voller Gewalt, unzähligen Konfliktherden und mit fast 16.000 Atomsprengköp-fen. Einige politische Führer drohen offen damit, solche Waffen zu benutzen, während andere glauben, dass schon die Möglichkeit der Nutzung den Frieden durch nukleare Abschreckung sichert.
Darüber hinaus bestehen weitere Risiken; die Gefahr des nuklearen Terrorismus (ein Schwerpunkt der aktuellen „Nuclear Security Summit – 2016 -Washington, D. C.“). Wir sind zutiefst besorgt über die reale Gefahr, die seit den tragischen Angriffen auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 nicht kleiner geworden ist. Politische Fehleinschätz-ungen, Unfälle, absichtlicher Einsatz, auch terroristischer – das alles ist realistisch. Dieser gefährlichen Situation gilt es zu begegnen, denn wenn solche Waffen verwendet werden, zahlen unschuldige Menschen in den Städten unserer Welt den höchsten Preis.
Aus diesem Grund fordern wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, getragen von der Verantwortung für die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Bürger*innen, von der Generalversammlung eine Unterstützung bei der Arbeitsgruppe für nukleare Abrüstung, mit dem Ziel, international wirksame rechtliche Maßnahmen, gesetzliche Vorschriften und Normen für die Verwirklichung der globalen nuklearen Abrüstung zu entwickeln und umzusetzen.
Wir empfehlen allen UN-Mitgliedstaaten an dieser Arbeitsgruppe teilnehmen und hoffen auf eine konstruktive Diskussion über eine Nuklearwaffenkonvention und auf einen erfolgreichen Abschluss. Nicht nur die aktuelle Doktrin der atomaren Abschreckung scheitert mit inakzeptablen humanitären Folgen, es besteht auch die Gefahr der Verbreitung von Kernwaffen, wie in der nordkoreanischen Atom- und Rüstungspolitik zu sehen ist. Außerdem bezweifeln wir, dass die nukleare Abschreckung eine Lösung bietet für die globalen Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind. Wir glauben, dass Atomwaffen nutzlos sind, bezüglich Prävention und Reaktion auf terroristische Aktivitäten, im Gegenteil birgt ihre Existenz jeden Tag neue Risiken, wie zum Beispiel
Nuklearterrorismus.
Die aktuellen Herausforderungen erfordern ein neues Denken und innovative Ansätze. Die internationale Gemeinschaft aller Städte benötigt die Bündelung aller Kräfte und setzt auf Sicherheit ohne nukleare Abschreckung, basierend auf dem Wunsch nach Frieden aller Menschen. Wir fordern von den Verantwortlichen in der Welt, vor allem in Kernwaffenstaaten und Staaten in Verteidigungsbündnissen:

1. Kooperation im gemeinsamen Bewusstsein, dass wir alle zur menschlichen Gemeinschaft gehören.
2. Frieden und Sicherheit ohne Atomwaffen zu erreichen.
3. Gemeinsame Förderung und Verbesserung des gegenseitigen Verständnis und der Wertschätzung von Vielfalt.

Echte Sicherheit wird nur erreicht, durch den Dialog, das gegenseitiges Verständnis, und die Zusammenarbeit, nicht aber durch Konfrontation, gegenseitigen Drohungen oder Rivalität. Wir glauben, dass das gesetzliche Verbot von Kernwaffen international die Sicherheit aller stärken würde. Alle Länder unterstützen bereits die nukleare Abrüstung! Es ist an der Zeit, eine Diskussion zu führen, um dieses Ziel mit konkreten Maßnahmen zu erreichen. Rechtlich bindende Verpflichtungen, einschließlich derjenigen, in Bezug auf Überprüfung, Unumkehrbarkeit und Transparenz wird den Weg für eine Welt ohne Kernwaffen ebnen. Wir dürfen hierbei die Bemühungen nicht
vernachlässigen, nicht konventionellen Waffen zu begrenzen und Militärausgaben zu reduzieren. Es gilt, die grundlegenden Normen der Charta der Vereinten Nationen in Bezug auf das Verbot der Androhung von Gewaltan-wendung zu stärken und die Pflicht zur Beilegung von Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln zu fördern und zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund müssen die Verantwortlichen der Welt ihrer Verantwortung gerecht werden; mit festen Entschlossenheit Atomwaffen global zu verbieten, sich auf die Beseitigung aller Atomwaffen zu einigen. Diese Vereinbarung zwischen den Verantwortlichen wird die nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen beschleunigen. Die Bürgermeister für Frieden, gemeinsam mit einer Vielzahl von Partner*innen der Zivilgesell-schaft, unterstützen diese Initiative für die Interessen unserer Bürger*innen und somit für die ganze Menschheit. Zudem werden wir unsere Bemühungen verstärken, eine internationale Sichtweise zu etablieren, kulturelle
Unterschiede als Bereicherung zu empfinden und gleichzeitig die Schaffung von gemeinsamen Werten zu fördern.
Am 10. und 11. April 2016, war Hiroshima City der Ort des G7-Außenministertreffen, in denen die Teilnehmer die „G7-Außenminister-Hiroshima-Erklärung“ über nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen verabschiedet haben. Diese Erklärung erkennt an, dass „die Menschen in Hiroshima und Nagasaki immense Zerstörung und menschliches Leid als Folge der Atombombenabwürfe erlebt haben „; sie ermutigt andere politisch Verantwortliche nach Hiroshima und Nagasaki zu kommen und kommt zu dem Schluss, dass die ausländischen Minister „die tiefe Sehnsucht der Menschen in Hiroshima und Nagasaki teilen, dass Atomwaffen nie wieder verwendet werden“. Bei ihrem Besuch in Hiroshima sahen die G7-Außenminister die Wirkung von Atombomben,
und bekräftigten den Wunsch nach Frieden und ihre Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung.
Die Bürgermeister für Frieden werden weiterhin politisch Verantwortliche weltweit ermutigen, Hiroshima und Nagasaki zu besuchen, um aus erster Hand die schrecklichen humanitären Folgen der Atombombenabwürfe zu sehen. Wenn sie diese Städte besuchen, sehen, hören, fühlen, denken; bildet sich der unerschütterliche Wille, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen.
Es ist unsere aufrichtige Hoffnung, dass die Verantwortlichen, auch im Namen der Hibakusha* (den Opfern der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki), eine Politik vorantreiben, die von einem tiefen Verständnis für die Wünsche des Handelns und einer tiefen humanitären Überzeugung geleitet wird, dass „niemand sonst je wieder so leiden soll, wie die Hibakusha*“.
Zum Schluss drücken wir noch einmal unsere starke Hoffnung aus, dass möglichst viele Vertreter*innen aus möglichst vielen Staaten an der „Offenen Arbeitsgruppe für nukleare Abrüstung“ teilnehmen, um, getragen von gemeinsamem Verständnis, Maßnahmen zu entwickeln für eine Welt ohne Kernwaffen.

22. April 2016
Unterzeichnende:
Mayors for Peace
Präsident Bürgermeister von Hiroshima, Japan
Vizepräsident Bürgermeister von Nagasaki, Japan
Vizepräsident Oberbürgermeister von Hannover, Deutschland
Vizepräsident Bürgermeister von Wolgograd, Russland
Vizepräsident Bürgermeister von Malakoff, Frankreich
Vizepräsident Bürgermeister von Muntinlupa, Philippinen
Vizepräsident Oberbürgermeister von Manchester, U.K.
Vizepräsident Bürgermeister von Akron, US
Vizepräsident Bürgermeister von Ypern, Belgien
Vizepräsident Bürgermeister von Biograd na Moru, Kroatien
Vizepräsident Bürgermeister von Granollers, Spanien
Vizepräsident Bürgermeister von Halabja, Irak
Vizepräsident Bürgermeister von Brüssel, Belgien
Vizepräsident Bürgermeister von Fongo-Tongo, Kamerun
Vizepräsident Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Mexiko
Vizepräsident Bürgermeister von Frogn, Norwegen
Executive Gouverneur von Bangkok, Thailand
Executive Bürgermeister von Fremantle, Australien
Executive Bürgermeister von Semipalatinsk, Kasachstan
Executive Bürgermeister von Sarajevo, Bosnien und Herzegowina
Executive Bürgermeister von Cochin, Indien
Executive Bürgermeister von Montreal, Kanada
Executive Bürgermeister von Wellington, Neuseeland
Executive Bürgermeister von Santos, Brasilien
Executive Bürgermeister von Cartago, Costa Rica
Executive Bürgermeister von Bogota, Kolumbien

*)Hibakusha
Grundsätzlich werden drei Kategorien von (Hibakusha) Atomwaffen-Opfern unterschieden.
• Diejenigen, die sofort starben, also aufgrund von Druckwelle, Hitze und/oder äußerst starker radioaktiver Strahlung im näheren Bereich der Detonation an Ort und Stelle zu Tode kamen und jene, die durch das Ereignis so schwer verwundet wurden, dass sie kurz darauf starben.
• Eine zweite offizielle Kategorie umfasst Personen, die infolge der Strahlenkrankheit, verursacht durch immer noch vergleichsweise hohe Strahlendosen, bis Ende des Jahres 1945 verstarben (sog. Frühtodesfälle).
• Als dritte Kategorie gelten die sogenannten Hibakusha; das sind jene Menschen, die den Abwurf selbst zwar überlebt haben, bei denen aber aufgrund der wenn auch geringeren aufgenommenen Strahlendosis (und damit einer längeren Latenzzeit) später dennoch mit Erkrankungen resp. Todesfällen vor allem durch Krebs zu rechnen gewesen ist.
Hibakusha und ihre Kinder waren (und sind immer noch) Opfer von Diskriminierung, auch infolge mangelnden Wissens über die Strahlenkrankheit, von der viele Menschen glaubten, dass sie vererbbar oder sogar ansteckend sei.

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